Am 25.11.2010 entschied die Zweite Kammer des Europäischen Gerichtshofes, dass Beamte, deren Wochenarbeitszeit über 48 Stunden liegt,  Anspruch auf Entschädigung haben. Diese könne in finanzieller Form oder in Form von Freizeitausgleich erfolgen.
Zu dieser Entscheidung war es in Folge der Klage eines Hauptbrandmeisters der Stadt Halle gekommen.

Dessen Wochenarbeitszeit hatte, zusammengesetzt aus aktiven Dienst und Bereitschaftszeiten, bis 2007 etwa 54 Stunden wöchentlich betragen. Bereits 2006 hatte der Beamte beantragt, dass seine Arbeitszeit künftig nicht mehr als durchschnittlich 48 Stunden umfassen dürfe. Dabei berief er sich auf den Beschluss des EuGH vom 14. Juli 2005 (C 52/04, Slg. 2005, I 7111). Zudem machte er Ausgleichsansprüche für Mehrarbeit geltend, die er zwischen 2004 und 2006 geleistet hatte. Die Stadt Halle lehnte den Antrag im März 2007 ab und verwies darauf, dass ein Anspruch auf Freizeitausgleich nicht rückwirkend geltend gemacht werden könne.

Nach einem erfolglosen Widerspruchsversuch ging der Beamte mit seiner Klage vor das Verwaltungsgericht (VerwG) Halle. Dieses bestätigte zunächst, dass dem Beamten nach nationalem Recht weder rückwirkender Anspruch auf Freizeitausgleich noch auf Mehrarbeitsvergütung zustünde. Allerdings zog das Verwaltungsgericht in Erwägung, dass sich aus der EU-Richtlinie 2003/88 ein Ausgleichsanspruch ergeben könnte und legte im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens den Fall dem EuGH vor.

Dieser entschied, dass dem Brandschutzmeister der beantragte Ausgleichsanspruch zustehe. Dabei betonte der EuGH die hohe Bedeutung, die der Beschränkung der wöchentlichen Arbeitszeit auf höchstens 48 Stunden gemäß dem Art.6 Buchst. B der Richtlinie 2003/88 innerhalb des Sozialrechts der EU zukomme. Der einzelne Bürger müsse diese Regel jederzeit unmittelbar vor nationalen Gerichten geltend machen können. Auch Bereitschaftszeiten seien als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88 anzuerkennen. Daher besteht auf der Grundlage des europäischen Rechts Anspruch auf Schadensersatz, der im Rahmen des nationalen Haftungsrechts behoben werden müsse.

Die Praxis, dass Schadensersatz erst nach vorherigem Antrag gewährt wird, verstößt gegen den Effektivitätsgrundsatz. Berücksichtigt wurde dabei besonders dass der Arbeitnehmer sich gegenüber dem Arbeitgeber in der schwächeren Position befindet, der Arbeitgeber also von der Umsetzung einer wichtigen Regel wie Art.6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88 gegenüber dem Arbeitnehmer auf keinen Fall abweichen darf. Die Berechnung der Höhe der Ansprüche sowie die Frage, ob Schadensersatz in Form von finanziellem Ausgleich oder in Form von Freizeit geleistet wird, unterliegen nach Auffassung des EuGH nach wie vor nationalem Recht.

In der Argumentation des EuGH wird keine Unterscheidung nach Beamten oder Angestellten getroffen. Das Urteil dürfte künftig in allen Bereichen von Bedeutung sein, in denen Arbeitnehmer oder Beamte in zeitintensiven Diensten tätig sind.

Quelle: pressemitteilungen-online.de