Die Berichte von Kindern über sexuelle Übergriffe nehmen an Schulen zu. Dabei sind selten Lehrer als Täter involviert, sondern Bekannte, Verwandte und Freunde der Familie des Kindes. Da Kinder in Schulen zunehmend von Missbräuchen berichten, fordern Experten jetzt eine Integrierung der Problematik in die Lehrerausbildung. Lehrer sind zumeist hinsichtlich dessen nicht richtig ausgebildet und können nur schwer damit umgehen.

Das Deutsche Jugendinstitut (DIJ) ermittelte in einer repräsentativen Studie ein erschreckendes Ergebnis. In fast jeder zweiten deutschen Schule berichten Kinder und Jugendliche über sexuelle Übergriffe aus dem familiären Bereich.

Die Befragung wurde im Auftrag der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Christine Bergmann, durchgeführt. Dabei wurden Schulen, Heime und Internate über etwaige Berichte von sexuellem Missbrauch in den letzten drei Jahren befragt.

Das Ergebnis ist erschreckend: In 80 Prozent der Heime, 70 Prozent der Internate und 50 Prozent der Schulen wurde in den vergangenen drei Jahren von Kindern und Jugendlichen über sexuellem Missbrauch berichtet. Seit dem Jahr 2007 wurden 1.000 Verdachtsfälle gemeldet. Experten sehen aber eine viel höhere Zahl, da das familiäre Umfeld der Kinder nicht in der Studie erfasst wurde. Demnach soll die Dunkelziffer weitaus höher liegen, als die tatsächliche registrierte Anzahl der Fälle angibt.

In 32 Prozent der an Schulen berichteten sexuellen Übergriffe sollen Verwandte und Bekannte als Täter in Frage kommen. In Heimen liegt die Quote sogar bei 48,5 Prozent.

Jedoch sind es nicht nur ältere Personen oder Erwachsene, von denen von Kindern und Jugendlichen über sexuellen Missbrauch berichtet wird. Auch gleichaltrige Kinder und Jugendliche spielen eine wesentliche Rolle bei sexueller Gewalt. In bis zu 17 Prozent an Schulen und bis zu 40 Prozent an Heimen wurden Gleichaltrige als Täter angeben. Auch Pädagogen stehen im Visier, Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht zu haben. Jedoch gehören Lehrer eher in die Kategorie der Ausnahme, da an Schulen in rund 4 Prozent und in Heimen in bis zu 10 Prozent von Übergriffen von Personal berichtet worden ist.

Da sich die Berichte an Schulen, Heimen und Internate über sexuellen Missbrauch häufen, fordert Bergmann jetzt hinsichtlich der Missbrauchsproblematik eine intensive Aus- und Fortbildung für Pädagogen, wobei der Umgang mit der jeweiligen Situation und mit dem betroffenen Kind im Mittelpunkt stehen soll. Die meisten derartigen Fälle, rund 50 Prozent, würden, so laut Bergmann,

„[…] über die Kinder selbst gemeldet“ werden. Jedoch geschieht dies oft nicht in direkter Art und Weise, sondern viel mehr als Andeutungen oder Berichten. Sollte ein Lehrer einen Missbrauch gemeldet bekommen oder auch nur zu vermuten, dann müsse dieser wissen, wie er mit dem betreffenden Kind umzugehen habe, wie Bergmann mitteilt. „[…]

zusätzliche Qualifizierungen und Sensibilisierung der Lehrkräfte ist dringend notwendig.“, so Bergmann weiter.

Auch das aufmerksame Beobachten und Erkennen gehört mit zu den Aufgaben eines Lehrers, was ein wichtiger Aufgabenschwerpunkt darstellen soll, wie Institutsleiter Thomas Rauschenbach mitteilt.

Kritik hingegen kommt vom Deutschen Lehrerverband und vom Deutschen Philologenverband. Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, sieht es als unsinnig, eine Vielzahl von Lehrkräfte auf diese Problematik hin weiterzubilden:  „Dabei ist es völlig utopisch zu glauben, dass es etwas nützt, wenn man jetzt 800.000 Lehrer durch solch eine Fortbildung schleust.“, so Kraus. Besser wäre der vermehrte Einsatz von Schulpsychologen, da diese im Regelfall durch ihre Ausbildung bereits hinsichtlich der Missbrauchsproblematik geschult sind. Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes, bestätigte die Aussage von Kraus. Zudem fordert er eine bessere Kommunikation zwischen den Lehrkräften selbst: „Um mögliche Probleme früh zu erkennen, muss es mehr Austausch unter den Lehrern geben“, so Meidinger. Beispielsweise könnten bei Klassenkonferenzen nicht nur auf Noten, sondern zudem auch auf bestimmte Auffälligkeiten von einzelnen Schülern eingegangen werden.

Die katholische Kirche hat bereits angekündigt, eigene sexuelle Vorkommnisse, die eventuell durch Priester, Diakone und männliche Ordensleute vollzogen wurden, vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen aufarbeiten zu lassen. Dabei sollen Akten, die Jahrzehnte zurück liegen, nach einem Missbrauchsfall durchsucht und schließlich bei einem Fall auch nach den Ursachen geforscht werden.

Quelle: nachrichten.yahoo.com